Dietrich ZawischaKontakt English version

Grundlagen der Farbenlehre

Lange bevor man man verstand, wie Farbe entsteht und wie sie gesehen wird, konnten Künstler mit Malfarben umgehen, Farben herstellen und mischen um die gewünschten Wirkungen zu erzielen, und großartige Werke schaffen. Das zeigt, dass die Farbenlehre, also die Kenntnis der theoretischen (physiologischen und physikalischen) Grundlagen für Künstler nicht wichtig ist. Trotzdem haben sich immer wieder gerade auch Künstler darum bemüht, das Wesen und die Eigenschaften der Farben zu ergründen und mit Farben zu experimentieren. Aber auch wenn die Theorien, die sie entwickelten, fehlerhaft waren, so hatte das doch auf ihre künstlerische Tätigkeit und die ihrer Schüler kaum schädlichen Einfluss.

Die Entwicklung von Farbfotografie, Farbfernsehen, Drei- und Vierfarbendruck jedoch erforderte genauere Kenntnis. Farben mussten gemessen werden, um reproduziert werden zu können; die Entwicklung von Methoden zur Messung ging einher mit der Erforschung des Gesichtssinnes. Heute kann man mit der Digitalkamera aufgenommene Bilder mit einem Fotodrucker selbst ausdrucken und hervorragende Ergebnisse erzielen. Dies wäre nicht möglich geworden ohne die wissenschaftlichen Grundlagen der Farbmetrik.

    

Seltsamerweise werden aber die Erkenntnisse der Farbwissenschaft von den meisten, besonders auch von künstlerisch orientierten Menschen kaum zur Kenntnis genommen. Farbenlehren für Künstler – da findet man immer noch häufig Ittens irreführenden Farbkreis mit Farbmischschema als Ausgangspunkt und Grundlage.

Bild 1: Farbkreis und Mischungsschema nach Johannes Itten

Es nimmt den Farben nichts von ihrem Reiz, wenn wir wissen, wie wir sie wahrnehmen, wie sie auf uns wirken und wie sie zustandekommen, im Gegenteil. Und eine richtige Theorie der Farben kann auch keinen schädlichen Einfluss auf künstlerisches Schaffen haben.


Der Farbreiz

Die Farbe wird von Licht „getragen“, aber die Farbempfindung entsteht erst in uns und unterliegt vielen verschiedenen Einflüssen, was die quantitative Beschreibung sehr erschwert. Ein Beispiel: ein hellgrünes Auto im Schein der untergehenden Sonne erscheint uns immer noch hellgrün, und wir nehmen auch wahr, dass es rötlich beleuchtet ist. Wenn wir durch eine Pappröhre schauen, so dass weder die Umgebung gesehen wird, noch, dass es sich um einen Teil des uns bekannten Autos handelt, würden wir den gleichen Farbreiz eher als Lachsrosa empfinden.

    

Um Farben zu messen verwendet man daher „freie Farben“ (Aperturfarben), ein strukturloses, geteiltes Gesichtsfeld wie in Bild 2, und es wird nur danach gefragt, ob die beiden Hälften des Feldes gleich sind oder nicht. Dadurch werden alle Hinweise, die unsere Farbempfindung beeinflussen könnten, ausgeschaltet.

Bild 2: Zwei nur wenig verschiedene Farben in benachbarten Hälften des Gesichtsfeldes. Farbmessungen gehen so vor sich, dass die Versuchsperson durch Drehen an „Stellschrauben“ die Farbe in einer Hälfte des Kreises verändern kann und sie auf diese Weise an die Farbe in der anderen Hälfte angleicht.

Das Licht, das das Auge erreicht, wird Farbreiz genannt. Der Farbreiz wird durch seine spektrale Verteilungsfunktion (Farbreizfunktion) charakterisiert, die angibt, wie sich das Licht aus Anteilen verschiedener Wellenlängen zusammensetzt.
     
Bild 3: Spektrale Verteilungsfunktion eines Farbreizes und die sich daraus ergebende Farbe in Proben abgestufter Helligkeit. (Die Wellenlängen in Nanometern (nm) gemessen. 1 nm ist ein Millionstel Millimeter.)

Um die Farbreizfunktion zu bestimmen braucht man teure Messgeräte (Spektralphotometer). Aber um einen grob qualitativen Eindruck davon zu bekommen, wie sich ein bestimmter Farbreiz aus Anteilen verschiedener Wellenlängen zusammensetzt, reicht schon ein einfaches Glasprisma, ein Bogen schwarzes Papier (oder eine andere schwarze Unterlage) und farbige Papierstreifen, siehe die „Versuche mit einem Prisma“.

Die Kennzeichnung von Farben

Die Farbreizfunktion enthält alle Information über das farbige Licht, aber wieviel nehmen wir davon wahr?
Eine wesentliche Eigenschaft ist die Helligkeit. Unser Gesichtssinn kann sich über einen sehr großen Bereich an die allgemeine Helligkeit anpassen. Die Helligkeit von Oberflächen ist am größten, wenn alles auftreffende Licht zurückgeworfen (remittiert) wird, dies entspricht idealem Weiß. Reale weiße Pigmente wie Titandioxid TiO2 absorbieren wenige Prozent des einfallenden Lichtes, aber dies gleichmäßig für alle Wellenlängen.

Wir unterscheiden verschiedene Farbarten (Farbtöne). Diese lassen sich zwanglos ordnen: ein Kind, das eine Schachtel mit Buntstiften bekommt, wird diese Ordnung finden, so wie es zuvor schon viele Künstler getan haben. Der von Johannes Itten (1888–1967, Schweizer Künstler, Lehrer am Bauhaus in Weimar) vorgeschlagene Farbkreis diene uns hier als Beispiel.
             

Bild 4 (links): Farbkreis nach Johannes Itten. In der Anordnung der Farben spiegeln sich die Erfahrungen des Künstlers mit dem Mischen von Farben sowie die subjektive Auswahl von „reinen“ Grundfarben wieder.

Bild 5 (rechts): Ein anderer Farbkreis, der auf den für die Farbdarstellung am Bildschirm verwendeten Grundfarben aufbaut. Die Anordnung ist so gewählt, dass einander gegenüberliegende Farben Grau ergeben, wenn sie mit dem Farbkreisel (siehe weiter unten) gemischt werden. Die Abstufung der Farben von einem Feld zum nächsten erscheint sehr ungleichmäßig. (Die Farben sind mit maximaler Helligkeit dargestellt.)

Die Farben Rosa, Braun, Grau, Weiß und Schwarz (und andere) passen nicht in dieses Ordnungsschema. Will man diese Farben auch einordnen, so gelangt man zu einem dreidimensionalen Farbkörper.
Man kann im Internet bei www.colorsystem.com einen Überblick über derartige Farbsysteme von historischem Interesse finden; wir überspringen die älteren und beschränken uns auf zwei Beispiele.

    

Bild 6: Ein Querschnitt durch den Farbkörper von Wilhelm Ostwald. Der Farbkörper hat die Form eines Doppelkegels mit dem Farbkreis auf dem äußeren Umfang. Die Farbtöne sind mit Zahlen von 1 bis 24 gekennzeichnet, Gelb hat die Nummer 1, Nummer 5 ist Rot, 9 ist Purpur (Magenta), 13 Blau, 17 Blaugrün (Cyan), 21 ist Grün, 24 ist Grünlichgelb und der Kreis schließt sich. Für Zwischentöne können die Zahlen interpoliert werden.

Durch Doppelklicken auf das Bild startet man eine Animation, die aufeinanderfolgende Querschnitte zeigt; durch einfaches Klicken wird die Animation gestoppt.
Klicken Sie HIER um das animierte Bild in einem neuen Fenster zu sehen!

Wilhelm Ostwald (1853–1932, Nobelpreisträger für Chemie) hat seinen Farbenatlas auf der Grundlage von mathematischen Überlegungen und Messungen mit dem Farbkreisel entwickelt. Die Farben werden durch die Nummer des Farbtons, den Weißanteil W und den Schwarzanteil S gekennzeichnet. W und S können leicht mit dem Farbkreisel bestimmt werden.

    

Bild 7: Maxwellscher Farbenkreisel. Die Farbfelder sind durch ineinandergesteckte, radial geschlitzte Papierscheiben realisiert. Wenn die Größe der einzelnen Sektoren geeignet gewählt wird, so kann man erreichen, dass bei rascher Drehung der äußere Ring die gleiche Farbe zeigt wie das innere Vergleichsfeld. Durch zwei benachbarte Farbtöne (hier: Nummer 12 und 13 nach Ostwald) lässt sich der Farbton der mittleren Scheibe erreichen, und aus den Winkeln der für die genaue Anpassung benötigten schwarzen und weißen Sektoren ermittelt man den Schwarz- und Weißgehalt.

Farben, die im Ostwaldschen Farbkörper einander gegenüberliegen, lassen sich mit dem Farbkreisel zu Grau mischen. Diese Farben werden komplementär genannt.


Albert Henry Munsell (1858–1918), ein amerikanischer Maler, entwickelte sein Farbordnungssystem zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er wählte die drei Merkmale Hue (Farbton), Value (Helligkeit) und Chroma (Farbtiefe, Sättigung), um die Farben festzulegen. Der Munsell-Hue wird durch Großbuchstaben, die die englische Farbbezeichnung abkürzen, angegeben, sowie eine vorangestellte Zahl zwischen 1 und 10, die den Bereich dieses Farbtons unterteilt. Value und Chroma werden durch Zahlen angegeben, und es wurde für jeden Farbton angestrebt, dass die Schrittgrößen gleich erscheinen. Dies führt auf eine unregelmäßige Form des sich ergebenden Farbkörpers (oft Farbbaum genannt). Das Munsellsche Farbordnungssystem erwies sich als sehr erfolgreich und bis heute einflussreich.
   

Bild 8: Schematische Wiedergabe zweier Seiten aus dem Munsell Book of Color, die die Anordnung der Farbmuster zeigen. 5Y steht für ein mittleres Gelb; 1Y ist dem 10YR (yellow-red = Orange) benachbart, während 10Y an 1GY (green-yellow) anschließt. PB (purple-blue) bedeutet Violettblau.

Das Ostwaldsche System war Vorläufer der DIN Farbkarten (DIN 6164), die die Numerierung der Farbtöne von 1 bis 24 beibehalten haben, aber auf der Grundlage moderner Farbmessung und empirischer Regeln für Helligkeit und Sättigung wurde die einfache Form des Farbkörpers aufgegeben. Farbmessungen dienten auch dazu, anfängliche Unregelmäßigkeiten in der ursprünglichen Auswahl der Munsellschen Farbmuster zu glätten.
Für spezielle Zwecke gibt es heute eine Vielzahl von Farbmustersammlungen und Farbordnungsschemata: HKS, NCS, Pantone, RAL, und andere; diese sollen hier nicht besprochen werden.

Das wichtigste Ergebnis, das man aus allen Farbordnungssystemen ablesen kann, ist, dass drei Angaben nötig sind um eine Farbe eindeutig festzulegen, drei Zahlenangaben, die man als Koordinaten im Farbraum auffassen kann; das heißt also, dass ein Farbkörper, der alle denkbaren Farben enthält, ein dreidimensionaler Körper ist. Wem dies selbstverständlich scheint, der sei daran erinnert, dass es viele andere Lebewesen gibt – beispielsweise Vögel – für die diese Aussage nicht gilt. Unser Gesichtssinn extrahiert drei Größen aus der im Farbreiz enthaltenen Information, die als Koordinaten in einem dreidimensionalen Raum interpretiert werden können. Der Gesichtssinn der Vögel liefert vier Koordinaten, wogegen viele Säugetiere nur zwei unterscheiden können. Für Insekten ist allgemein der Bereich sichtbaren Lichtes nicht derselbe wie für uns – schon aus diesem Grund können sie die Farben nicht genau so wahrnehmen wie wir. Aus diesen experimentell ermittelten Befunden ergibt sich, dass alles, was wir als Eigenschaften der Farben empfinden, in Wahrheit Eigenschaften unseres Gesichtssinnes sind.

Optische Täuschungen, Farbkonstanz

    

Bild 9: Ein Holzklotz wirft seinen Schatten auf ein schwarz-weißes Schachbrettmuster. Die schwarzen Flächen in der oberen linken Ecke des Fotos sind tatsächlich heller als die sichtbaren Teile der vom Holz teilweise verdeckten weißen Quadrate im Schatten. Trotzdem sehen wir die ersteren schwarz, die letzteren weiß. Sollte man dies eine optische Täuschung nennen? Wir sehen, dass die weißen Felder im Schatten dunkel sind, und wir sehen, dass sie weiß sind. (Siehe Adelsons Schachbrett-Täuschung.) Hier finden Sie ein weiteres Beispiel für „Helligkeitstäuschungen“.

Da die Beleuchtung im allgemeinen nicht gleichmäßig ist, wird die Wahrnehmung von kontinuierlichen Helligkeitsverläufen unterdrückt, während abrupte Wechsel, die in den meisten Fällen durch die Gestalt der Gegenstände hervorgerufen werden, verstärkt empfunden werden (Kontrastwirkung). Was wichtig ist, ist die Form und die „wahre Farbe“ der Dinge, wobei wir als wahre Farbe die Farbe meinen, die wir an dem Gegenstand bei „normalem“ Tageslicht sehen. Die Farbreize hängen von der Beleuchtung und vom Remissionsvermögen der gesehenen Objekte ab. Deren Farbe sollte sich nicht ändern wenn sich die Beleuchtung ändert, und unser Gesichtssinn nutzt aufwendige Datenverarbeitung, um den Einfluss der Beleuchtung auf die wahrgenommene Farbe so gut wie möglich zu eliminieren.

Das Ergebnis der Datenverarbeitung, das schließlich bewusst wahrgenommen wird, ist sozusagen die beste Vermutung der unbewusst und automatisch ablaufenden Prozesse im Gehirn über Form, Farbe und Entfernung der Gegenstände, die im allgemeinen sehr zuverlässig sind. Man schätzt, dass 40 % des Gehirns am Sehen beteiligt sind. Nachdem die von den Sehzellen empfangenen Reize in Nervensignale umgewandelt sind, wird alles, was als fehlerhaft identifiziert wird, herausgefiltert. Wir sehen nicht die Schatten, die die Blutgefäße auf die Retina werfen. Jedes Signal, das sich bei Bewegung der Augen nicht verändert, wird unterdrückt.


Kontrast

Wenn zwei Bereiche verschiedener Helligkeit scharf begrenzt aneinanderstoßen, wird dieser Helligkeitsunterschied in der Empfindung verstärkt. Verblüffende Beispiele zum Helligkeitskontrast lassen sich im Internet finden, z.B. die lightness demonstrations, während Farbkontraste im allgemeinen weniger ausgeprägt sind. Aber es ist hervorzuheben, dass durch gleiche Farbreize verschiedene Farbempfindungen hervorgerufen werden können, die, je nachdem, wie die Umgebung aussieht, gelegentlich sogar verschieden benannt werden:

Bild 10 a, b: Was vor einem dunklen Hintergrund orange gesehen wird wirkt auf weißem Untergrund braun. (Bilder durch Anklicken vergrößern! Wenn man dann noch mit der Taste F11 das Bild auf die volle Bildschirmgröße bringt, ist diese Demonstration am wirkungsvollsten.)


Bild 11 a, b: Es ist fast unmöglich, die relative Helligkeit zweier Flächen richtig zu beurteilen, wenn sie sich nicht berühren (linkes Bild). Werden die beiden Hälften des Bildes gegeneinander verschoben, so dass sich die Halbkreisringe berühren, dann sieht man, dass sie gleichfarbig sind. (Es handelt sich hier um eine Variante des Koffka-Ringes.)


   Bild 12

Licht, das von der Umgebung zurückgeworfen wird, ist immer Teil der Beleuchtung. In einem Raum mit rosafarbenen Wänden würde weißes Papier wegen des Widerscheins von den Wänden einen zartrosa Schimmer aufweisen, aber unser Gesichtssinn trägt dem Rechnung und verschiebt den Eindruck in Richtung der Komplementärfarbe (in diesem Fall Grün), so dass uns das Papier nicht rosa, sondern weiß erscheint. Im Fall von flachen Bildern (wo ein Widerschein der Umgebung unmöglich ist) wird diese Verschiebung als optische Täuschung bewertet. – Die zwei kleinen Quadrate sind gleich grau, aber das linke scheint etwas grünlicher, das rechte zeigt einen rosa Hauch (u.U. erst bei längerer Betrachtung).
Auch Nachbilder, die weiter unten behandelt werden, tragen zum Farbkontrast bei.

Assimilation

   
Bild 13

Weiß man, wie und warum Kontraste verstärkt empfunden werden, so erscheint das Phänomen der Assimilation (Angleichung) von Helligkeit und Farbe umso überraschender. Im linken Bild scheinen die farbigen Streifen unter dem schwarzen Muster dunkler und unter dem weißen heller. Dies wird wohl durch die Art der Verarbeitung der optischen Information, ehe sie bewusst wird, verursacht. In der Sprechweise der Ingenieure heißt das, dass die Helligkeits- und die Farbinformation mit geringerer räumlicher Auflösung („Bandbreite“) übertragen werden als die Information über Formen und Strukturen.


   
   Bild 14

Die Assimilation von Farben ist noch eindrucksvoller, wie das rechte Bild zeigt. In dem Bild werden nur die Farben, die auf dem rechten Rand großflächig zu sehen sind, verwendet.
Die verschiedenen Arten, wie sich die Assimilation äußert, werden oft mit verschiedenen Namen bezeichnet: das Bild zur rechten ist ein Beispiel für die Munkersche Täuschung, würden nur verschiedene Graustufen verwendet, spräche man von der Whiteschen Täuschung, siehe die Zusammenstellung optischer Täuschungen von Kitaoka.


Nachbilder

Lange anhaltende Nachbilder kommen nach Blendung durch helles Licht vor; diese verschwinden, tauchen aber wieder auf, wenn man die Augen schließt, dann, wenn man sie wieder öffnet – sie werden von der Fehlerkorrektur unterdrückt, noch bevor die Regeneration der Sehzellen abgeschlossen ist. Sie kommen durch Ausbleichen der Sehfarbstoffe zustande.

Nachbilder, die man sieht, nachdem man einige Zeit auf eine farbige und dann auf eine helle Fläche schaut, sind dagegen eine Folge der Adaptation, d.h. der aktiven Anpassung der Empfindlichkeit für kurze, mittlere und lange Wellenlängen des Lichts. Sie klingen innerhalb weniger Sekunden ab.

Fixiert man eine Zeit lang den Mittelpunkt des Farbkreises Bild 15 und anschließend den Punkt in der Mitte des weißen Feldes (Bild 16), dann sieht man dort den Farbkreis annähernd in den Komplementärfarben.

Während Sie den Punkt in der Mitte des weißen Sterns anstarren, könnten Sie sich schon überlegen, wie das zugehörige Nachbild aussehen wird.

         
Bilder 15, 16 und 17

Der lila Jäger
Lilac Chaser   

Diese sehr eindrucksvolle Illusion wurde um 2005 von Jeremy Hinton gefunden und von Michael Bach publik gemacht. Sie beruht auf der Kombination von Nachbildeffekt und der Unterdrückung von konstanten Bildern auf der Netzhaut und macht deutlich, wie wichtig die unbeabsichtigten Augenbewegungen sind. Zum Vergrößern aufs Bild klicken und dann ca. 30 Sekunden lang auf das + in der Mitte starren – dann verschwinden die verschwommenen purpurfarbenen Flecken und es saust nur noch ein hellgrün leuchtender Fleck herum. (Der Effekt stellt sich schneller ein, wenn man nur mit einem Auge schaut.)


Bild 18



Der McCollough-Effect

Dieser von Celeste McCollough gefundene und in der Zeitschrift „Science“ 1965 publizierte Nachbildeffekt lässt sich nicht durch die gewöhnliche Adaptation oder gar das Ausbleichen der Sehfarbstoffe erklären. Um den Effekt zu sehen, muss man zunächst für 5–10 Minuten auf die grünen und purpurfarbenen Streifen schauen (Bild durch Klicken vergrößern!). Dabei braucht man keinen Punkt zu fixieren, sondern lasse die Augen frei wandern. Wenn man danach auf das schwarz-weiße Streifenbild schaut, werden die weißen Streifen abhängig von ihrer Orientierung zartfarbig erscheinen (Bild anklicken!).
     
Bild 19 und Bild 20

Bemerkenswert ist, wie lange dieser Effekt anhält. Nach 24 Stunden oder noch länger sind die zarten Farben immer noch zu sehen.

Diese Auswahl von optischen Täuschungen sollte reichen um deutlich zu machen, dass der Sehvorgang, insbesondere das Farbensehen, kein einfacher, einstufiger Prozess ist, sondern dass ein hoher Aufwand an Datenverarbeitung erfolgt und dass alle Hinweise für die Wahrnehmung der „richtigen“ Farbe (oder Helligkeit, oder geometrischen Form) ausgenutzt werden. Wenn diese Hinweise kunstvoll so gewählt werden, dass die Wahrnehmung in die Irre geführt wird, ergibt sich eine optische Täuschung. Sie finden einen Katalog optischer Illusionen auf den Seiten von A. Kitaoka.

Historische Notizen

Als Isaac Newton in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts die Zerlegbarkeit des weißen Lichts in ein buntes Spektrum (spectrum = Erscheinung, Gespenst) entdeckte, ordnete er den Strahlen je nach den Farben, die sie hervorriefen, verschiedene Brechungsindizes zu. Er untersuchte, wie sich die Lichtfarben überlagern (additive Farbmischung), benannte sieben gut unterscheidbare Farben im Spektrum, ließ es aber mit einer unendlichen Vielzahl von Farbtönen sein Bewenden haben und wandte sein Hauptaugenmerk der Optik zu.

Bild 21: Ein Spektrum, wie man es in einem nicht vollständig abgedunkelten Raum sehen könnte, wenn ein Sonnenstrahl durch ein Prisma gebrochen wird.

Während des 18. Jahrhunderts gewann die Auffassung an Boden, dass das Licht aus nur drei Farben besteht. Im Jahr 1757 schlug Mikhail Lomonosov ein „Drei-Teilchen-Modell“ der Farben vor. 1786 gab George Palmer eine im wesentlichen korrekte Erklärung des Farbensehens – fand jedoch keine Beachtung (siehe: D.L. MacAdam, Journal of the Optical Society of America 60 (1970) p. 296):

The retina must be composed of three kinds of fibers, each susceptible of being stimulated by only one of the three primary rays. Equal sensibility of these three classes of fibers constitutes true vision; any deficiency of sensibility of any class constitutes false vision.
(Die Retina muss aus drei Arten von Fasern aufgebaut sein, von denen jede nur von einem der drei Primärstrahlen erregt werden kann. Gleiche Empfindlichkeit dieser drei Klassen von Fasern macht den richtigen Gesichtssinn aus; fehlende Empfindlichkeit einer dieser Klassen bedeutet Farbfehlsichtigkeit.)
   

Als Goethe gegen Newtons Erklärung der prismatischen Farberscheinungen polemisierte, versuchten ihn seine Zeitgenossen davon zu überzeugen, dass seine Beobachtungen im Einklang mit Newtons variablem Brechungsindex seien. Goethe selbst illustrierte zwei dieser Erklärungen (die er ablehnte) auf den seiner Farbenlehre beigelegten Tafeln.

Wie sieht ein weißer Streifen Papier auf einer schwarzen Unterlage aus, wenn man ihn durch ein Glasprisma betrachtet? Green (in Halle/Saale) überlagert die sieben Farben des Spektrums um das Ergebnis zu erhalten, während Wünsch (in Frankfurt/Oder) nur Rot, Grün und Violett verwendet (Ch. E. Wünsch, Versuch und Beobachtung über die Farbe des Lichts; Leipzig, Breitkopf 1792).



Bild 22: Tafel IX aus Goethes Farbenlehre, retouchiert und überarbeitet, da die Farben im Original (siehe z.B. hier) teilweise verblasst und teilweise nachgedunkelt sind.



Im Jahre 1807 veröffentlichte Thomas Young (1773–1829, englischer Arzt und Naturforscher) die endgültige Version seiner Theorie des Farbensehens, in der er drei Arten von Sinneszellen in der Retina postuliert, die, wenn nur eine von ihnen gereizt wird, die „einfachen Empfindungen“ liefern:
From three simple sensations, with their combinations, we obtain seven primitive distinctions of colours; but the different proportions, in which they may be combined, afford a variety of tints beyond all calculations. The three simple sensations being red, green, and violet, the three binary combinations are yellow, consisting of red and green; crimson, of red and violet; and blue, of green and violet; and the seventh in order is white light, composed of all three united.
(A Course of Lectures on Natural Philosophy and the Mechanical Arts. Johnson, London 1807. Digitalisat, p. 440)
(Aus drei einfachen Empfindungen und ihren Kombinationen erhalten wir sieben Grundfarben; aber die verschiedenen Verhältnisse, in denen sie kombiniert werden können, bringen eine unendliche Vielfalt an Farbtönen hervor. Die drei einfachen Empfindungen sind Rot, Grün und Violett, die drei Zweierkombinationen sind Gelb, das aus Rot und Grün besteht, Karmin aus Rot und Violett und Blau aus Grün und Violett; und die siebente in der Reihe ist weißes Licht, das aus allen drei gemeinsam besteht.)
(Im Jahre 1802 hatte Young in einem ersten Erklärungsversuch noch Gelb statt Grün und Blau statt Violett als die einfachen Empfindungen benannt.)
Thomas Young hat durch Interferenzexperimente auch die Wellennatur des Lichts entdeckt, und nannte daher die lichtempfindlichen Elemente „Resonatoren“, für die er drei verschiedene Resonanzfrequenzen postulierte. Die Youngsche Theorie wurde von Hermann von Helmholtz (1821–1894) und von James Clerk Maxwell (1831–1879) bestätigt und weiter ausgearbeitet und wird seitdem durch eine zunehmende Fülle von experimentellen Daten untermauert.
In der Netzhaut gibt es zwei verschiedene Typen von lichtempfindlichen Zellen, die Stäbchen und die Zapfen. Die Stäbchen sind bei sehr schwacher Beleuchtung aktiv, ihre Aufgabe ist das Sehen bei Nacht (skotopisches Sehen), bei dem keine Farben unterschieden werden können. Bei größerer Helligkeit sind die Stäbchen inaktiv, die Zapfen aktiv und vermitteln das Tagessehen (photopisches Sehen). Bemerkenswert ist, dass die Beurteilung der Helligkeit beim Tages- und Nachtsehen verschieden ist. Dieser Effekt wurde zuerst von Purkinje (Jan Evangelista Purkinje 1787–1869, tschechischer Gelehrter und Politiker) beschrieben. Die Stäbchen haben ihr Empfindlichkeitsmaximum bei Wellenlängen von ca. 500 nm, die Zapfen etwas oberhalb von 550 nm.
    










Bild 23: Relative Empfindlichkeit als Funktion der Wellenlänge: V'λ für skotopisches (Nacht-), Vλ für photopisches (Tages-) Sehen.




Theorie des Farbensehens

In der menschlichen Retina befinden sich drei Arten von Zapfen. Die Zapfen beherbergen die Youngschen Resonatoren – die Sehfarbstoffe (Sehpigmente). Diejenigen, die für die längsten sichtbaren Wellenlängen am empfindlichsten sind, werden L-Zapfen oder p-Zapfen genannt (L für long wavelength oder p von griechisch proton, „das erste“), die mit maximaler Empfindlichkeit im mittleren Bereich werden M- oder d-Zapfen genannt (deuteron = „das zweite“), und die dritte Art S- oder t-Zapfen. Die spektralen Empfindlichkeitskurven sind in Bild 24 zu sehen.
Drei Arten von Zapfen erzeugen drei primäre Farbeindrücke, daher bezeichnet man den menschlichen Farbsinn als trichromatisch. Es ist bekannt, dass Vögel, Reptilien und auch Beuteltiere tetrachromatisch sehen, d.h. sie besitzen vier verschiedene Farbstoffe in den Zapfen, während die meisten Säugetiere (Plazentatiere) dichromatisch sind, also nur zweierlei Zapfen haben. Ein kleiner Prozentsatz der Menschen sind ebenfalls Dichromaten, weil ihnen das L- (Protanopie), das M- (Deuteranopie) oder, sehr selten, das S-Zapfenpigment fehlt (Tritanopie); sehr selten sind Monochromaten, die überhaupt keine Farben unterscheiden können, da sie nur einen Zapfenfarbstoff besitzen. Etwas häufiger als Dichromasie ist anomale Trichromasie (Protanomalie und Deuteranomalie), wenn die L- und M-Empfindlichkeitskurven sich noch weniger unterscheiden als im Normalfall. Insgesamt tritt angeborene Farbfehlsichtigkeit bei ca. 8% der Männer und ca. 0.5% der Frauen auf.

    




Bild 24: Mittlere Empfindlichkeitskurven des L- (p), M- (d) und S- (t) Farbrezeptorensystems. Die Empfindlichkeitskurven wurden aus den CIE-1931-Normspektralwertkurven und Daten über Farbenblindheit berechnet. Individuelle Empfindlichkeitskurven können geringfügig abweichen, der allgemeine Verlauf der Kurven ist jedoch immer der gleiche.

Bemerkenswert ist, dass das Empfindlichkeitsmaximum der L-Zapfen, die uns die „einfache Empfindung“ Rot vermitteln, nicht im roten Bereich liegt, sondern bei Wellenlängen, die gelb gesehen werden. Die Empfindlichkeitskurven der L- und der M-Zapfen überlappen sich sehr stark, während die der S-Zapfen sich mit den anderen beiden nur wenig überlappt.

Die rosa Farbe der Netzhaut kommt von dem in den Stäbchen reichlich vorhandenen Sehpurpur, dem Farbstoff für das skotopische Sehen. Dieser besteht aus dem Chromophor (Farbträger) Retinal, das an Opsin (ein großes Eiweißmolekül) gebunden ist. Die Absorptionskurve des Sehpurpurs stimmt gut mit der skotopischen Empfindlichkeitskurve V'λ überein, wenn man die Filterwirkung der Gelbfärbung der Macula und der Linse in Rechnung stellt. Die Sehfarbstoffe der Zapfen konnten erst viel später als der Sehpurpur gemessen werden. Allem Anschein nach sind sie wie das Rhodopsin aus Retinal und Opsin aufgebaut, aber die molekulare Umgebung des Retinals ist etwas verschieden und dadurch wird die Absorptionskurve an die richtige Position verschoben.

Wenn man annimmt, dass die Evolution durch Variation und Auslese die gegenseitige Lage der Absorptionskurven optimiert hat, dann kann man fragen, worin denn der Vorteil liegt, wenn sich die L- und M-Empfindlichkeiten so wenig unterscheiden. …

Auf diese Frage gibt es tatsächlich eine Antwort, und die hängt mit einer anderen Merkwürdigkeit zusammen, die wir zuerst besprechen wollen: wir haben gesehen, dass die Helligkeit der Farben im Farbkreis sehr verschieden ist. Reines Blau ist viel dunkler als reines Grün, Rot oder Gelb. Im Spektrum des weißen Lichts ist das kurzwellige Ende, der blauviolette Bereich viel dunkler als der andere Teil. Wir sehen das Blauviolett zwar, aber damit ist fast keine Helligkeitsempfindung verbunden. Das ist erstaunlich, denn das kurzwellige Licht ist keineswegs irgendwie schwächer als das andere; die entsprechenden Photonen sind sogar die energiereichsten!

Objektive von Fotoapparaten baut man mehrlinsig aus verschiedenen Glasarten, die sich in der Dispersion (Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge) unterscheiden, so dass sich die Farbfehler größtenteils gegenseitig aufheben (achromatische Linsensysteme). Mit den Substanzen, aus denen das optische System des Auges besteht – Proteine und Wasser – konnte sich kein achromatisches System entwickeln. Beim menschlichen Auge beträgt der Unterschied in der Brechkraft der Kombination Hornhaut–Linse für Licht von 550 nm (Maximum der Empfindlichkeit) und 450 nm (maximale Empfindlichkeit der S-Zapfen) etwa eine Dioptrie! Das Auge kann daher nicht gleichzeitig für „rotes“, „grünes“ und „blaues“ Licht scharfstellen. Würden die S-Zapfen zur Helligkeitsempfindung wesentlich beitragen, würde das unsere Sehschärfe mindern.

Die Helligkeitsempfindung wird also von den L- und den M-Zapfen abgeleitet. Um gute Sehschärfe zu erreichen, dürfen sich deren Empfindlichkeitskurven nicht allzusehr unterscheiden.

Experimentelle Befunde

Dank der modernen Techniken in der Biologie wurden in den letzten Jahren große Fortschritte in der Kenntnis des visuellen Systemes erzielt (siehe die in der "Webvision" von Helga Kolb, Eduardo Fernandez, Ralph Nelson und Bryan Jones herausgegebene Übersicht mit Originalzitaten). So konnte die Verteilung der Stäbchen und der drei Zapfenarten über die Netzhaut ermittelt werden. Man fand, dass die S-Zapfen die geringste Häufigkeit zeigen – in der Fovea nur etwa 3–5 %, an deren Rand ca. 15 % und weiter außerhalb ca. 8 %. Meist überwiegt die Zahl der L-Zapfen die der M-Zapfen deutlich, etwa 2:1, aber hier wurden große individuelle Unterschiede gefunden (siehe Fig. 19 in dem Abschnitt Photoreceptors und Fig. 21 in dem über Color Vision).


Wann sehen wir welche Farbe?

Die Farbe von Gegenständen hängt davon ab, wieviel von dem auftreffenden Licht der verschiedenen Wellenlängen verschluckt („absorbiert“) wird und wieviel zurückgeworfen („remittiert“) wird. Bei transparenten Gegenständen (Farbfiltern insbesondere) davon, wieviel durchgelassen („transmittiert“) wird. Diese Eigenschaften werden durch die Remissions- bzw. Transmissionskurven veranschaulicht.


Bild 25

Idealisierte Remissionskurven einer blauen, einer grünen und einer roten Oberfläche. Wenn nur die kurzen Wellenlängen stark zurückgeworfen werden (blaue Linie), dann werden die S-Rezeptoren stark und die M-Rezeptoren wenig angeregt, die L-Zapfen noch weniger, und die resultierende Empfindung ist „Blau“. Die Grundempfindung „Grün“ entsteht, wenn die Anregung der M-Zapfen die der anderen beiden stark überwiegt, und entsprechend „Rot“, wenn hauptsächlich die L-Rezeptoren ansprechen.


Bild 26

Idealisierte Transmissionskurven von Druckfarben oder Tinten, wie sie im Drei- oder Vierfarbendruck verwendet werden (oder Remissionskurven von mit diesen Farben bedrucktem weißen Papier). Die gelbe Tinte absorbiert stark im kurzwelligen Bereich und lässt Licht mittlerer und großer Wellenlängen durch, Magenta absorbiert am stärksten im mittleren Bereich und Cyan im Bereich der großen Wellenlängen. Gelb ist sozusagen Weiß minus Blau, Magenta (Purpur) ist Weiß minus Grün und Cyan ist Weiß minus Rot.

Einen grob qualitativen Eindruck vom Remissionsvermögen farbiger Oberflächen kann man sich ohne teure Meßgeräte schon mit einem einfachen Glasprisma verschaffen, siehe die „Versuche mit einem Prisma“.


Farbmischung

Da in den Zapfen drei verschiedene Sehfarbstoffe vorhanden sind, ist der Farbraum dreidimensional. Wenn es bei der Farbwiedergabe möglich wäre, die Anregungsstärke von jeder der drei Zapfenarten unabhängig von den anderen einzustellen, dann könnten alle überhaupt möglichen Farben reproduziert werden. Das ist nicht der Fall; aber mit drei geeignet gewählten farbigen Lichtern können die meisten Farben, die wir in unserer Umgebung sehen, doch recht gut wiedergegeben werden.

Additive Farbmischung

    

Die Überlagerung verschiedenfarbiger Lichter nennt man additive Farbmischung. Die einfachen Regeln, denen die additive Mischung folgt, ergeben sich unmittelbar aus der Wirkungsweise des Farbensehens. Ihre Ergebnisse unterscheiden sich jedoch deutlich von der allgemeinen Erfahrung mit dem Mischen von Farbsubstanzen (z.B. Aquarell- oder Ölfarben).



Bild 27

Graue Fläche auf einem Computerbildschirm (Kathodenstrahlröhre), durch eine starke Lupe fotografiert. Die einzelnen leuchtenden „Punkte“ sind so klein, dass sie bei normaler Betrachtung nicht mehr unterschieden werden können. Es sind nur rote, grüne und blaue Leuchtpunkte vorhanden, mit denen alle auf dem Schirm darstellbaren Farben erzeugt werden.


   


Bild 28

Schema der additiven Farbmischung. Mit drei Projektoren und je einem roten, grünen und blauen Filter kann dieses Experiment am eindrucksvollsten demonstriert werden. Wer es zum ersten Mal sieht, ist überrascht. Man empfindet Gelb niemals als „Rot und Grün“, der Eindruck ist von beiden völlig verschieden. Bei den anderen beiden Zweiermischungen stimmt das Ergebnis mit der Erwartung eher überein.



Mischung durch Mittelung

   

Jeder visuelle Eindruck benötigt etwas Zeit um sich aufzubauen und auch um wieder abzuklingen. Darauf beruht die Möglichkeit von Film und Fernsehen, bewegte Bilder durch eine rasche Abfolge von Momentaufnahmen zu erzeugen. Wir haben den Farbkreisel schon als Hilfsmittel zur Untersuchung von Oberflächenfarben kennengelernt (Bild 7). Wenn sich die Scheibe schnell genug dreht, sieht man nicht mehr die Farbe der einzelnen Sektoren, sondern deren Mittelwert.

Bild 29 a, b: Farbkreisel: Bei rascher Drehung der Scheibe (im linken Bild) verschwimmen die einzelnen Farbfelder zur Mischfarbe (Bild rechts).




Mischung durch Mittelung tritt auch ein, wenn abwechselnde verschiedenfarbige Bereiche so klein sind, dass sie vom Auge nicht mehr aufgelöst werden. Im gewöhnlichen Druck erhält man graue Flächen indem ein schwarzes Raster auf das weiße Papier gedruckt wird.

Bild 30: Rasterdruck: Eine graue Fläche durch eine Lupe gesehen.


Durch Mittelungsmischung von Rot und Grün kann man kein Gelb erhalten, denn Gelb müsste heller als Rot und Grün sein, man erhält aber nur die gemittelte Helligkeid der beiden Farben. Das Ergebnis ist Olivgrün, das man auch durch Mischen von Gelb und Schwarz mit dem Farbkreisel erzeugen kann.


Subtraktive Farbmischung

      
Bild 31                   Bild 32

Mit Farbfiltern in den „subtraktiven Grundfarben“ Cyan (grünlichblau), Magenta (purpurn) und Gelb lassen sich die wichtigsten Regeln der subtraktiven Farbmischung demonstrieren (Bild 31). Bild 32 zeigt realistische Transmissionskurven der drei Farben. Cyan unterdrückt den langwelligen (roten) Anteil des Lichts, das Gelbfilter unterdrückt nur die kurzen Wellenlängen, und hinter der Kombination von beiden ist nur noch der Bereich mittlerer Wellenlängen stark vertreten, der grün gesehen wird. Entsprechend sind die anderen Mischungen zu verstehen. (Siehe hierzu auch die Versuche mit dem Prisma.)


Im fotografischen Film (z.B. Farbdias) liegen drei dünne Schichten übereinander, von denen im Endstadium nach der Entwicklung jede durch nur einen Farbstoff eingefärbt ist. Um möglichst alle vorkommenden Farben wiedergeben zu können, müssen diese drei Farbstoffe Cyan, Magenta und Gelb sein, wie sie oben in Bild 31 zu sehen sind.


    

Im Vierfarbendruck werden Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz als Druckfarben verwendet. Die drei bunten Farben übereinandergedruckt ergeben kein tiefes Schwarz, die zusätzliche Verwendung von Schwarz dient der Erhöhung der Brillanz des Bilder (und spart zudem Farbe).

Es ist allerdings nicht allein die subtraktive Farbmischung, die beim Drei- und Vierfarbendruck zum Tragen kommt. Mit einer starken Lupe sieht man auf einer hellgrauen Fläche viele Farbflecken, die keinen oder nur geringen Überlapp mit ihren Nachbarn haben. Alle Farben aus Bild 31 (einschließlich Weiß) sind mit Anteilen vertreten, und da das Auge das feine Raster nicht wahrnimmt, wird über alles gemittelt.



Bild 33: Eine hellgraue Fläche im Vierfarbendruck unter dem Mikroskop. 


Mischen von Malfarben

Die Ergebnisse beim Mischen von Malfarben (bestehend aus einem Bindemittel und Pigmenten oder Farbstoffen) sind in vielen Fällen sehr ähnlich wie die der subtraktiven Mischung. Aber das genaue Ergebnis hängt, außer von der Farbigkeit der beiden Komponenten, noch von anderen Faktoren ab – z.B. von der Verteilung der Korngrößen, der Transparenz der Pigmentkörner – so dass das Ergebnis nicht genau vorhergesagt werden kann, solange die anderen Einflüsse nicht unter Kontrolle sind.

    
    Bild 34
 

Beim Mischen von Farben, die auf dem nebenstehenden Farbkreis nicht aneinander grenzen, können die Ergebnisse daher sehr verschieden sein – blaue und gelbe Malfarbe gemischt kann ein sattes Grün ergeben oder nur ein grünliches Grau – aber dies ist eigentlich kaum von Bedeutung, denn Künstler ziehen es vor, benachbarte Farbtöne zu mischen und dazu noch Schwarz und Weiß. Beim Mischen von Farben, die in Bild 34 nebeneinanderliegen, sind die Unterschiede zwischen Subtraktiver Mischung, Mischung mit dem Farbkreisel und Mischung von Farbsubstanzen nicht mehr so auffällig. Die Palette des Künstlers unterliegt ja nicht der Einschränkung, dass er mit drei Grundfarben auskommen muss.


Grundfarben

Zapfen-Primärfarben

Thomas Youngs einfache Empfindungen, George Palmers Primärstrahlen, auf englisch heute "cone primaries" genannt, die Zapfen-Primärfarben sind die Farben, die gesehen werden, wenn nur jeweils eine der drei Zapfenarten angeregt wird. Beim Spektrum des weißen Lichts (betrachten Sie die Reflexion des Glühfadens einer klaren Glühlampe in einer CD), verden vom langwelligen (roten) Ende nur die L-Zapfen, vom kurzwelligen (violetten) Ende nur die S-Zapfen angeregt. Die M-Zapfen werden nur sehr selten allein angesprochen. Die Farbe, die man dann sehen würde, müsste im Farbton wie der Bereich des Spektrums der Wellenlängen 500–520 nm aussehen, aber stärker gesättigt, kein bisschen weißlich (vergleiche das simulierte Spektrum in Bild 24)
Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass sich die Empfindung, wenn nur eine Zapfenart angeregt wird, wesentlich von der unterscheidet, wo die Erregung dieser Zapfenart die der beiden anderen sehr stark überwiegt.
 
      Bild 35: Farbtöne der Zapfen-Primärfarben

Reine Farben

Unter den gesehenen Farben werden einige als reine Farben, Grundfarben empfunden, bei anderen ist die Zwischenstellung so deutlich, dass man sie als Mischung aus den benachbarten reinen Farben empfindet. Die reinen Farben sind sozusagen die psychologischen Grundfarben. Im allgemeinen werden Rot, Gelb und Blau als reine Farbempfindungen genannt, in den meisten Fällen auch noch Grün. In der Auswahl von reinem Gelb stimmen auch die meisten Leute recht gut überein; bei dem als rein empfundenen Rot, Grün und Blau sind die Schwankungen etwas größer.
Das reine Rot und das reine Grün dürften die Farben sein, die den entsprechenden Zapfen-Primärfarben am nächsten kommen, aber das reine Blau ist deutlich verschieden von der als violett oder blauviolett empfundenen S-Zapfen Primärvalenz. Und dem Gelb entspricht überhaupt keine Zapfen-Primärfarbe.
        Bild 36: Die reinen Farben (reines Grün lässt sich auf dem Bildschirm nicht gut darstellen).
   Bild 37: Schwarz und Weiß sind als Empfindungen ebenfalls reine Farben.

Dass wir Farben als „rein“, also ungemischt, nicht zusammengesetzt empfinden, für die es gar keine speziellen Sinneszellen gibt, zeigt, dass das Farbensehen kein einfacher, einstufiger Vorgang ist. Die optische Information wird umgeformt ehe sie ins Bewusstsein gelangt.

Grundfarben beim Farbenmischen

Wenn in einem technischen Verfahren Farben durch Mischen von Grundfarben reproduziert werden sollen, dann möchte man mit möglichst wenigen Grundfarben auskommen. Aus dem Sachverhalt, dass unser Farbraum dreidimensional ist, folgt, dass für eine realistische Wiedergabe mindestens drei Grundfarben benötigt werden.
Falls, wie beim Fernsehen, auf dem Bildschirm des Computers oder bei Bühnenbeleuchtung additive Mischung möglich ist, kann eine reichhaltige „Palette“ mit den Grundfarben Rot, einem gelblichen Grün und Blauviolett oder Blau erzielt werden. Dies wird in den folgenden Artikeln genauer ausgeführt werden. Hier sei nur hervorgehoben, dass die Auswahl der Grundfarben nicht eindeutig ist; neben der Farbe sind z.B. für die in Kathodenstrahlröhren verwendeten Leuchtsubstanzen noch andere Eigenschaften wichtig (Lichtausbeute, Stabilität, Nachleuchtdauer). Für die Farbenmessung erzielt man mit spektralreinem Licht von 700 nm, 546,1 nm und 435,8 nm Wellenlänge einen sehr großen Wiedergabebereich.

R  G  B Bild 38: Die additiven Grundfarben R, G, und B für Kathodenstrahlröhren und Computerbildschirme (sRGB). Die für das Fernsehen (SMPTE and PAL/SECAM) verwendeten Primärfarben sind sehr ähnlich.
 
C  M  Y Bild 39: Die optimalen subtraktiven Primärfarben C, M, Y (Cyan, Magenta und Gelb (yellow)), näherungsweise.

Farbordnungen der Künstler

Die Palette des Künstlers ist nicht auf die Farben beschränkt, die sich aus drei Grundfarben mischen lassen, und sie sollte es auch nicht sein. Nichtsdestoweniger erkundeten Maler den Farbraum indem sie Malfarben mischten, und diese Erfahrung leitete sie bei der Entwicklung von Farbordnungssystemen. Wir wählen hier als Beispiel Johannes Ittens Farbkreis, die Grundlage seiner Farbenlehre, die viel Einfluss hatte. (Sie finden die Vorläufer in der englischen Wikipedia).

   
Bild 40: Farbkreis und
Mischungsschema nach Itten
 

In Ittens Farbkreis und Ordnungsschema erscheint Grün, das ja eine der Zapfen-Primärfarben und auch eine psychologische Grundfarbe ist, als Mischfarbe (sekundäre Farbe). Die psychologischen Grundfarben Rot, Gelb und Blau werden als Primär-Malfarben für die Mischung gewählt – aber diese sind, wie wir inzwischen wissen, nicht die beste Wahl zur Gewinnung einer großen Farbenvielfalt. Purpur, Violett und auch Grün werden daher nur in ziemlich stumpfen Schattierungen erhalten. Andererseits erscheinen die Abstufungen von einem Farbton zum nächsten recht gleichmäßig, im Gegensatz zu dem Farbkreis, der in Bild 5 zu sehen ist und von den additiven Primärfarben ausgeht, die oben besprochen wurden.

Ittens Farbkreis und Mischungsschema sind sozusagen Zwitterbildungen, die auf Psychologie (reine Farben) und Materialeigenschaften (schwer zu erfassende Mischungseigenschaften von Malfarben) basieren und weder dem Farbensehen noch den vollen Möglichkeiten des Mischens von Farbmitteln gerecht werden.

Manche Kunsterzieher glauben, es wäre beim Malen wichtig, alle Farben aus den „drei Grundfarben“ zu mischen. Warum eigentlich? Die Farben in der Natur kommen durch die verschiedensten Substanzen zustande. Soll denn, wenn ein Abbild der Natur oder eine abstrakte Komposition gemalt wird, der Dreifarbendruck imitiert werden?

In der modernen und der Gegenwartskunst spielen Rot, Gelb und Blau immer noch eine viel größere Rolle als Grün (das nahezu fehlt), siehe z.B. die Kompositionen von Piet Mondrian (1872–1944) nach 1920, die mit reinem Rot, Gelb, Blau, Weiß und Schwarz auskommen, oder die bekannten vier Bilder von Barnett Newman (1905–1970) "Who's Afraid of Red, Yellow and Blue" (II, IV).

Psychische Wirkungen von Farben

Es ist unbestritten, dass wir von den Farben in unserer Umgebung beeinflusst werden. Das fängt mit der allgemeinen Beleuchtung an, die sich auf alles, was wir sehen, auswirkt und auch auf unsere Stimmung. Der Unterschied zwischen sonnigem und trübem Wetter, zwischen einem Raum ohne Sonnenlicht und einem mit Fenstern nach Süden.

Falls farbigen Flächen genügend großes Gewicht zukommt, beeinflussen sie uns gleichermaßen – Tapeten, Möbel, Kleidung.
Rote Farbe zieht viel mehr Aufmerksamkeit auf sich als grüne. Grün wirkt ruhig, Rot wirkt anregend oder aufregend; viele Autoren haben die psychische Wirkung der Farben behandelt, und alle stimmen hiermit überein.
Goethe benennt in seiner Farbenlehre eine „Plus-Seite“ und eine „Minus-Seite“ im Farbenkreis. „764. Die Farben von der Plusseite sind Gelb, Rotgelb (Orange) und Gelbrot (Mennig, Zinnober). Sie stimmen regsam, lebhaft, strebend.“

„777. Die Farben von der Minusseite sind Blau, Rotblau und Blaurot. Sie stimmen zu einer unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung.“
Grüne Farbe: „802. Unser Auge findet in derselben eine reale Befriedigung … Deswegen für Zimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird.“

Psychologen haben untersucht, welche körperlichen Wirkungen auftreten, wenn Testpersonen in farbige Räume gebracht wurden, Künstler (wie Wassily Kandinsky, 1866–1944) haben die Eigenschaften von Farben beschrieben, Farbberater (wie Faber Birren, Amerikaner, 1900–1988) haben untersucht, wie sich die Farbe von Verpackungen auf das Verhalten potentieller Käufer auswirkt …

Dies alles soll hier nicht im Detail behandelt werden. Wir wollen nur der Frage nachgehen, warum die Evolution gewisse Gefühle und sogar körperliche Reaktionen mit Farben in Verbindung gebracht hat.

Das Leben in der Vorzeit

Die Wirkung der Farben scheint weitestgehend unabhängig von Rasse und Kultur zu sein, wie ethnologische Studien gezeigt haben. Daher können wir annehmen, dass die fast reflexartigen Reaktionen nicht von der Flut an Reizen verursacht wurden, die heute auf uns einwirken, sondern sich in einer Zeit entwickelt haben, als eine angemessene Reaktion auf Farben einen Lebens- und Überlebensvorteil ausmachte.

Richten wir daher unser Augenmerk auf die prähistorischen Zeiten und noch frühere Zeitspannen, als das Farbensehen in den Vorläufern der Menschheit den jetzigen Stand erreichte.


Beim Sammeln von Beeren und reifen Früchten ist es ganz eindeutig von Vorteil, Rot, Orange und Gelb als auffallend und anregend zu empfinden, während es nachteilig wäre, wenn jedes grüne Blatt die Aufmerksamkeit auf sich zöge.

Und es gibt auch einsichtige Gründe dafür, dass die Reaktion auf Rot stärker ist als die auf Orange oder Gelb: Rot ist die Farbe von Blut. Bei der Jagd oder im Kampf – wenn die rote Farbe gesehen wird heißt es, sich anzustrengen, zu verfolgen oder zu fliehen. Diese Stress-Komponente fehlt dem Orange und dem Gelb.

Ein Farbreiz, der grün gesehen wird, wird bei geringer Stärke („mit Schwarz gemischt“) dunkelgrün gesehen, und dunkles Blau wird auch immer noch als Blau empfunden. Bei Orange und Gelb ist das anders. Es gibt kein Dunkelorange – die Empfindung ist deutlich anders, Braun. Auch dafür gibt es gute Gründe: eine orangefarbene Frucht ist wahrscheinlich reif, eine braune ist wahrscheinlich faul. Das macht einen großen Unterschied, und daher ist es vorteilhaft, den Unterschied schon in der Farbempfindung zu fühlen. Es ist besser, von der Farbe Braun nicht angelockt zu werden. (Es gibt auch kein dunkles Gelb, die entsprechende Farbe ist Olivgrün.)

Rot, Orange und Gelb sieht man am Feuer und in der Glut, Sonnenlicht ist gelblichweiß, diese Farben wirken warm; die Farben von Wasser, Eis, vom blauen Himmel wirken kalt.

Schwarz-gelbe Streifen werden verwendet, um vor Gefahren zu warnen – schwarz-gelb gestreift heißt, dass da etwas gefährlich ist. Es ist besser, schwarz-gelbe Tiere nicht anzufassen.


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