Dietrich ZawischaKontakt English version

Einfache Versuche mit einem Prisma

Prisma  Man braucht nicht viel, um diese Versuche durchzuführen. Außer einem Prisma nur noch einen Bogen schwarzes Papier, weißes Papier und Streifen von farbigem Papier.
Die folgenden Fotos objektivieren gewissermaßen subjektive Versuche mit Prismen. Bei den Bildpaaren ist links jeweils der gewöhnliche Anblick, rechts der Blick durch ein Glasprisma zu sehen.

Legt man einen schmalen weißen Papierstreifen auf eine dunkle Unterlage und betrachtet man ihn durch ein Glasprisma, so muss man wegen der Lichtbrechung in eine andere Richtung blicken, und man sieht, wegen der verschieden starken Brechung des Lichts verschiedener Wellenlängen, den Streifen nicht mehr weiß, sondern bunt. Wenn der Streifen schmal genug ist, sieht man dann im wesentlichen nur die Farben Rot, Grün und Violettblau. Die beiden Fotos unten zeigen dies; allerdings ist es unmöglich, diese Farben wirklichkeitsgetreu auf dem Bildschirm wiederzugeben. Im visuellen Eindruck ist vor allem das Blau am oberen Rand des Streifens mehr blauviolett, und das Grün ist "grüner".
   
Man sieht, dass bei geringer Helligkeit das Spektrum des (vom weißen Papierstreifen zurückgeworfenen) weißen Lichts im wesentlichen nur aus drei Bereichen besteht, einem roten, einem grünen und einem blauen, die allerdings nicht scharf begrenzt sind, sondern diffus ineinander übergehen. Das hat auch schon Goethe beschrieben; dies ist ein Spezialfall des seit dem 19. Jahrhundert unter dem Namen Bezold-Brücke-Effekt bekannten Phänomens.

Die brechende Kante des Prismas war bei allen Aufnahmen oben, wie auf den Skizzen rechts, nur wurde das Auge durch einen Fotoapparat ersetzt.

Es werden drei vom weißen Streifen ausgehende Lichtstrahlen gezeigt. Durch das Prisma erfolgt eine Aufspaltung, da die Lichtwellen umso stärker gebrochen werden, je höher ihre Frequenz ist. Es werden jeweils nur drei gebrochene Strahlen eingezeichnet, aber in Wahrheit entsteht aus jedem Strahl ein Strahlenfächer. (Die Auffächerung ist in den Skizzen stark übertrieben.)

Es ist übersichtlicher und einfacher, nur Strahlen einzuzeichnen, die das Auge erreichen, wenn man sich die Geometrie veranschaulichen will (unteres Bild). Die "weißen" Strahlen sind ja Überlagerungen aus Strahlen aller im Licht vorhandenen Wellenlängen, und wenn nur der das Auge letztlich erreichende Anteil eingezeichnet wird, so ist daraus nicht zu schließen, dass der Rest nicht vorhanden wäre.

 


Im nächsten Paar von Bildern wird ein gelber Papierstreifen mit dem weißen verglichen.
   
Man sieht im roten unteren Bereich keinen Unterschied zum weißen Streifen, und auch das gelbliche Grün ist rechts kaum schwächer als in der linken Bildhälfte. Aber vom Blau ist fast nichts mehr zu sehen, der gelbe Streifen hat es fast vollständig verschluckt.
Damit können wir das Remissionsvermögen des gelben Papiers schon grob skizzieren. Man braucht dazu nur zu wissen, dass die "blaue Grenze" zwischen Violettblau und Grün bei ca. 480 bis 490 nm liegt, die "gelbe Grenze" zwischen Grün und Rot bei ca. 570 nm:  

Für das nächste Bildpaar wurden mit einem Tintenstrahldrucker drei Streifen mit den im Drucker verwendeten Grundfarben Cyan, Magenta (Purpur) und Gelb bedruckt (und jeweils ein Teil weiß gelassen), dann ausgeschnitten und auf einen schwarzen Untergrund gelegt.
   
Ich möchte Sie gerne dazu ermuntern, andersfarbige Streifen mithilfe eines Prismas mit weißen zu vergleichen.

Wandeln wir jetzt ein Stück des Weges auf J.W. von Goethes Spuren. Goethe hat bei seinen Versuchen mit einem geliehenen Prisma zuerst eine weiße Wand durch das Prisma betrachtet und war maßlos enttäuscht. Dann entdeckte er Farben an Grenzen zwischen Hell und Dunkel.

   
Betrachtet man einen breiten weißen Streifen auf schwarzem Grund, so bleibt die Mitte des Streifens weiß, während an den Rändern Farbsäume auftreten: gelb – rot der eine, eisblau (cyan) – violettblau der andere.
Wieso die Mitte weiß bleibt, ist leicht zu verstehen: Das Licht, das einen Punkt auf der Netzhaut des Auges trifft, kommt nicht von einem Punkt der weißen, durch das Prisma betrachteten Fläche, sondern von verschiedenen Punkten auf einer Linie. Das ist im nebenstehenden Bild für drei herausgegriffene Lichtwege skizziert, die der Einfachheit halber in den Farben gezeichnet sind, die ihrer Wellenlänge entsprechen.  

Entsprechend einfach sind die Farbsäume zu erklären. (Man kann sich in obigem Bildchen bei ungeändertem Strahlengang den weißen Papierstreifen nach links oder rechts verschoben denken – vom schwarzen Papier gehen (fast) keine Strahlen aus – welche Farbe ist dann bei gleicher Blickrichtung zu sehen?

Das nächste Paar von Bildern bietet eigentlich nichts Neues.

   
Aber wenn man die breiten mittleren Streifen durch schmale ersetzt, ergibt sich etwas Neues, zumindest auf der rechten Seite.
   
Sieht man in der linken Bildhälfte den weißen Streifen zerlegt in Blau, Grün und Rot (mit einem schmalen gelben Übergangbereich zwischen Grün und Rot), so erscheint in der rechten Bildhälfte der schwarze Streifen aufgespalten in Gelb, Purpur (Magenta) und Eisblau (Cyan) (mit einem schmalen blauen Übergangsbereich zwischen Magenta und Cyan).
Diese und ähnliche Beobachtungen verleiteten Goethe, der Grenze zwischen Schwarz und Weiß – oder Licht und Dunkelheit – die Hauptrolle bei der Farbentstehung zuzuweisen und außerdem Symmetrie zwischen Licht und Dunkelheit anzunehmen.

Diese Symmetrie ist allerdings unvollständig: es gibt Lichtquellen, aber keine Dunkelheitsquellen. Was die letzteren leisten müssten, verrät uns Christian Morgenstern:
Die Tagnachtlampe

Korf erfindet eine Tagnachtlampe,
die, sobald sie angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.

Als er sie vor des Kongresses Rampe
demonstriert, vermag
niemand, der sein Fach versteht,
zu verkennen, dass es sich hier handelt –

(Finster wird's am hellerlichten Tag,
und ein Beifallssturm das Haus durchweht)
(Und man ruft dem Diener Mampe:
»Licht anzünden!«) – dass es sich hier handelt

um das Faktum: dass gedachte Lampe,
in der Tat, wenn angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.
Christian Morgenstern war mit Rudolf Steiner befreundet, der ein glühender Bewunderer Goethes und insbesondere seiner Farbenlehre war. Ich vermute, dass über diese Bekanntschaft Korf zu seiner Erfindung angeregt wurde.

Objektive Versuche

Objektive Versuche, also solche, bei denen mehrere Leute gleichzeitig dasselbe sehen können, erfordern etwas mehr Aufwand. Zu Newtons und zu Goethes Zeit war man da auf das Sonnenlicht angewiesen, heute gibt es ausreichend starke Lichtqiellen. Für das nächste Bild wurde ein Diaprojektor verwendet, in dem statt eines Diapositivs ein enger Spalt eingesetzt war. Der Lichtstrahl wird durch ein Prisma zur Leinwand hin abgelenkt.
Es soll aber noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es prinzipiell unmöglich ist, ein Spektrum in Fotografie oder Bild ganz getreu wiederzugeben. Das Bild zeigt also nur ungefähr, was zu sehen ist. Aber man beachte, dass hier bei genügender Helligkeit nicht nur Rot, Grün und Violettblau zu sehen sind, sondern auch Orange, Gelb, Cyan und "Indigo" (Blau) mit kontinuierlichen Übergängen.


Im nächsten Bild wird der austretende Lichtstrahl noch einmal durch einen zweiten Spalt eingeengt und dann durch das Prisma geschickt, das auf weißem Papier steht. Der aufgespaltene Lichtstrahl fällt schließlich auf ein schräg aufgestelltes Stück von weißem Karton, und man blickt von oben auf die Anordnung.
klick

Alle oben beschriebenen Versuche lassen sich mit einem Projektor und den entsprechenden Bildvorlagen als Diapositive auch als objektive Versuche durchführen.



Zurück zum Text "Grundlagen der Farbenlehre" oder zur Übersicht.