Dietrich ZawischaKontakt English version

Optische Erscheinungen an Spinnennetzen

Unter bestimmten Bedingungen (vor einem dunklen Hintergrund, aber von hinten von der Sonne beschienen) kann man Spinnwebfäden in bunten Farben glänzen sehen. Bild 1 zeigt das Netz einer Sektorspinne Zygiella x-notata ungefähr in natürlicher Größe.

bunt glänzendes Spinnennetz bunt glänzendes Spinnennetz 2
Bild 1Bild 2

Die nächsten beiden Bilder sind vergrößerte Ausschnitte aus dem ersten. Als Ursache ist die Interferenz des von den anähernd regelmäßig angeordneten winzigen Klebetröpfchen kommenden Lichts zu vermuten. Die Farben werden am besten wiedergegeben, wenn die Fäden etwas unscharf abgebildet werden.

Detail 1 Detail 2
Bild 3Bild 4


Was findet sich dazu im Internet?
Zunächst bestechend schöne Aufnahmen auf den Seiten "Beugung in Spinnennetzen" von Eva Seidenfaden, die sich sonst hauptsächlich mit Astronomie und atmosphärischer Optik befasst.
Und dann ein Aufsatz von H. Joachim Schlichting, "Farbenspiel im Spinnennetz" mit einer Erklärung, die sich allerdings nur auf einen Teilaspekt der Erscheinung beschränkt.


Spinnwebfäden

Im Spinnennetz sind sowohl Fäden mit als auch solche ohne Klebetröpfchen vorhanden. Die langen, festen Fäden, zwischen denen das Netz hängt, die radialen Speichen und im Zentrum des Netzes die Fäden, die den Sitzplatz der Spinne bilden, sind nicht klebrig. Die klebrige Flüssigkeit befindet sich in kleinen Tröpfchen auf dem spiralig verlaufenden Fangfaden.
Über die Dicke der Spinnwebfäden findet man Angaben wie 1–4 μm, oder 2.5–4 μm. Ich habe mir einige Fangfäden aus dem Netz einer Kreuzspinne (Araneus diadematus), das schöne Farberscheinungen zeigte, unter dem Mikroskop angesehen und den Durchmesser der Klebetröpfchen zu ca. 25 μm bestimmt, die Dicke des Fadens zwischen den Tröpfchen als ungefähr ein Zehntel davon abgeschätzt. Pro Millimeter waren auf den untersuchten Fadenstücken 12 bis 13 Tröpfchen zu sehen. Sowohl die Größe als auch die Abstände dürften aber in weiten Grenzen variabel sein.
Farberscheinungen kann man sowohl an den trockenen als auch an den klebrigen Fäden beobachten. Auf den Bildern 6 bis 13 sind Netze bzw. Fäden von Kreuzspinnen zu sehen.


Bild 5: Ein Radial- und ein Fangfaden aus dem auf den Bildern 1 bis 4 zu sehenden Netz von Zygiella x-notata bei ca. 150-facher Vergrößerung. Zwischen je zwei Tröpfchen mit ca. 15 μm Durchmesser befindet sich meist noch ein winzig kleines.
Spinnwebfäden

Untersuchungen mit dem Elektronenmikroskop (siehe: Fritz Vollrath, Die Seiden und Netze von Spinnen. Spektrum der Wissenschaft, Mai 1992, S. 82–89) haben gezeigt, dass die Klebstofftröpfchen auch noch die Funktion haben, die Fangfäden gespannt zu halten und andererseits beträchtliche Dehnungen zuzulassen: die starken Adhäsionskräfte (Klebrigkeit) lassen den Klebstoff am Seidenfaden haften, die Oberflächenspannung sorgt dafür, dass sich kleine Tröpfchen bilden, dadurch wird der Seidenfaden in die Tröpfchen hineingezogen, in deren Innerem er dich kräuselt.

Die trockenen Fäden

Betrachten wir als erstes die trockenen (tröpfchenfreien) Fäden. Auf Bild 6 sind Glanzstellen aus dem Zentrum eines Netzes zu sehen; in Bild 7 glänzen Radial- und im Hintergrund Stütz- oder Rahmenfäden. Die Unschärfe der Aufnahmen ist beabsichtigt. Die Fäden in der Mitte von Bild 7 sind durch Bewegung im Wind unscharf.
bunte Reflexe 1 bunte Reflexe, trockene Fäden
Bild 6Bild 7

Licht, das vom Faden zum Beobachter kommt, ist zum Teil an der Oberfläche reflektiert worden, zum Teil ist es durch den Faden gegangen und dabei zweimal gebrochen worden, oder es ist gebeugt worden, also um das Hindernis herumgelaufen. Nun sind die Fäden aber so dünn, dass sich diese drei Effekte nicht mehr getrennt behandeln lassen, und außerdem ist der Querschnitt vermutlich nicht kreisförmig und nicht konstant. Die Fäden werden flüssig abgeschieden und erhärten an der Luft – wahrscheinlich ist ihre Oberfläche sogar runzelig. Für unsere Überlegung hier ist wichtig, dass der Faden auf mikroskopischer Skala nicht glatt ist, und das betrifft Brechung, Reflexion und Beugung gleichermaßen. Die entsprechende Erscheinung auf matten oder mattglänzenden zweidimensionalen Oberflächen wurde an anderer Stelle ausführlicher besprochen. Hier haben wir dieselbe Erscheinung an einem dünnen Faden.
Auf einer ganz ruhigen Wasseroberfläche sieht man das Spiegelbild der Sonne nur an einer Stelle. Ist die Oberfläche aber von Wellen gekräuselt, so sieht man auf viel größerer Fläche viele kleine glitzernde Reflexe. Ganz ähnlich ist es bei einem geraden Faden: wäre er glatt zylindrisch, wäre die Spiegelung der Sonne nur an einem ganz kurzem Fadenstück als heller Reflex zu sehen. Ist der Faden aber runzelig, gibt es viele kleine Reflexe auf einem deutlich längeren Bereich des Fadens. Im Auge des Betrachters, genauer gesagt auf dessen Netzhaut, überlagern sich die von den einzelnen Teilreflexen ausgehenden Lichtwellen, und da diese verschieden lange Wege zurückgelegt haben, kommt es zu einen Muster aus Verstärkung und Auslöschung, und dieses ist auch noch für jede Wellenlänge anders.
Es liegt somit der eindimensionale Fall von Granulation vor. Auf einer zweidimensionalen mattglänzenden Fläche ergibt sich ein Muster aus bunten Pünktchen, hier sind die bunten Pünktchen auf dem dünnen Faden aufgereiht, und wenn dieser unscharf abgebildet wird, werden aus den winzigen Flecken Streifen oder Kringel und sie erscheinen wie bunte, auf dem Faden aufgereihte Perlen.

Die klebrigen Fäden

Bei den klebrigen Fäden ist zu unterscheiden zwischen den Stellen, wo der Faden selbst glänzt, und den Stellen, wo nur die Tröpfchen glänzen und der dünne Faden zwischen ihnen fast nicht zu sehen ist, siehe Bilder 8 bis 11.

Abseits der Glanzstellen des Fadens

Da, wo die Fäden selbst nicht glänzen, werden die optischen Eigenschaften fast ausschließlich durch die Tröpfchen bestimmt.
Auf beiden Bildern 7 und 8 hat sich das Netz im Wind bewegt, auch die Bereiche im Focus sind durch Bewegung unscharf. Wo in Bild 8 und auch in den folgenden Bildern einzelne Tröpfchen unterscheidbar werden, sind fast keine Farben zu sehen. Im Gegensatz dazu bleibt das Farbenspiel der trockenen Fäden (Bild 7) auch bei Scharfeinstellung erhalten.

glänzende Radial- und Rahmenfäden Interferenzfarben an Spinnwebfäden 1
Bild 8
 
Bild 9
 
Interferenzfarben an Spinnwebfäden 4 Interferenzfarben an Spinnwebfäden 5
Bild 10Bild 11

Auf den scharf abgebildeten Fäden erkennt man an vielen Stellen die einzelnen Tröpfchen. Allerdings sind diese in Wirklichkeit kleiner: sie sollten sich als Lichtpünktchen darstellen, aber die sind durch die Beugung an der Blendenöffnung der Digitalkamera vergrößert.
Der Faden zwischen den Tröpfchen ist kaum zu sehen.
Da, wo die Abbildung am schärfsten ist, sind keine oder nur ganz schwache Farben zu sehen. Bunt wird es erst dort, wo sich das Licht von benachbarten Tröpfchen auf der Netzhaut des Auges, dem Film oder den Sensoren der Kamera überlagert. Damit ist klar, dass es die Interferenz der von verschiedenen Streuzentren kommenden Lichtstrahlen ist, auf die es für die Farbigkeit ankommt. Die zugrundeliegende Physik habe ich auf der Seite "Vielstrahlinterferenz" behandelt.

Der Idealfall

Was ist im Idealfall eines ganz gleichmäßig mit Tröpfchen besetzten Fadens zu sehen? Der Faden glänzt an einer Stelle besonders hell. Das ist die Stelle, wo sich auch an einem glatten Faden die Sonne spiegeln würde. Die Lichtwege von der Sonne über die dort sitzenden Tröpfchen ins Auge des Beobachters sind nahezu gleich lang, und so überlagern sich die Wellen auf dem entsprechenden Punkt der Netzhaut konstruktiv, und dies für alle Wellenlängen. In geringem Abstand vom hellen Reflex unterscheiden sich die Abstände von den benachbarten Tröpfchen zum Auge schon so stark, dass durch destruktive Interferenz die Helligkeit stark vermindert wird. Werden die Unterschiede in den Abständen noch größer, so kann zuerst für die kurzwelligen, "blauvioletten" Lichtstrahlen wieder gegenseitige Verstärkung eintreten, während sich die anderen noch gegenseitig schwächen: der Faden schillert blau, beim weiteren Fortschreiten werden die Bedingungen für Grün gut und für Blau wieder schlechter, es folgen dann Gelb und Rot und schließlich nimmt die Helligkeit wieder ab. In Bild 12 sind - wieder in einer absichtlich unscharfen Nahaufnahme - einige Reflexe zu sehen, neben denen die Farben in dieser Reihenfolge auftreten. Bild 13 zeigt eine solche Stelle noch vergrößert.

Bild 12


Bild 13

Aus der Ferne ist auf einem Fadenstück zwischen zwei Radialfäden jeweils nur ein Teil der vollständigen Farbenfolge zu sehen. Da die Dichte der Streuzentren entlang der Fäden selten sehr gleichmäßig ist, ergeben sich meist eher zufällig wirkende Farbenfolgen.

Frisch gesponnene Fäden


Bild 14

Beim Versuch, eine kleine ihr Radnetz bauende Spinne zu fotografieren, entstand das obenstehende Bild. Die Spinne bewegte sich rasch, die Sonne blendete und auf dem Display der Kamera konnte ich kaum etwas erkennen. Statt auf die Spinne, stellte die Kamera (Autofocus) auf das Gras im Hintergrund scharf. Die Spinne befindet sich völlig unscharf und überbelichtet unterhalb der Bildmitte, die frisch gesponnenen Fangfäden sind in der oberen Bildhälfte als verschwommene Streifen sichtbar. An den sieben fast parallelen Fäden sieht man die Spiegelung der Sonne. An dem untersten, zuletzt gesponnenen Faden ist das der einzige Reflex, an dem darüber ebenfalls. Die anderen Fäden zeigen, von unten nach oben mit zunehmender Intensität links und rechts weitere, farbige Reflexe. Das nächste Bild zeigt das in einem vergrößerten Ausschnitt noch deutlicher.


Bild 15
Man beachte, dass sich nur am obersten Faden neben dem Hauptreflex ein annähernd vollständiges Farbspektrum von Blau bis Rot zeigt. Spektren zweiter Ordnung (siehe z.B. dieses Bild) sind nicht vorhanden.
Alle auf dem Bild zu sehenden Details lassen sich zumindest qualitativ leicht deuten. Nehmen wir an, der von der Spinne abgesonderte Faden ist zunächst gleichmäßig mit einer Klebeschicht überzogen. Dann reflektiert er das Sonnenlicht wie ein idealer Zylinder nur in einem einzigen scharf begrenzten Reflex (unterster Faden).
WasserstrahlUnter dem Einfluss der Oberflächenspannung bilden sich abwechselnd Verdünnungen und Verdickungen der zähflüssigen Klebstoffschicht. Statt eines einzigen Reflexes tritt jetzt an jeder Verdickung (Bauch) und an jeder Verdünnung (Hals) des Fadens ein kleines Reflexchen auf. Bewegt man den Kopf entlang des Fadens, während man die gleiche Stelle im Auge behält, so bewegen sich jeweils ein Bauch- und ein Hals-Reflex aufeinander zu, bis sie schließlich zu einem Flankenreflex verschmelzen, dabei besonders hell werden, und anschließend verschwinden.
So lange Bauch- und Halsreflexe getrennt sind, können die von ihnen ausgehenden Wellen je nach Wegunterschied auch destruktiv interferieren. Dadurch lässt sich sowohl das Fehlen von Teilen des Spektrums im Beugungsbild als auch die relativ geringe Helligkeit des zentralen Reflexes sowie dessen Farbe verstehen.
Je enger die Hälse werden, desto kleiner werden die Halsreflexe und desto geringer wird ihr Einfluss auf die Intensität des Streulichtes. Sobald sich einzelne Tröpfchen ganz getrennt haben, gibt es keine Halsreflexe mehr.
Bei den durch Brechung an dem Faden zum Beobachter gelangenden Anteilen des Lichtes liegen die Verhältnisse ähnlich; maßgeblich ist die Summe aus gebrochenen und reflektierten Anteilen.


Bild 16: Zur Illustration der Bauch- und Halsreflexe eine Blitzlichtaufnahme eines sich in Tröpfchen zerlegenden dünnen Wasserstrahls. Nur die hellen Flecken knapp rechts von der Mittellinie sind Oberflächenreflexe, alle anderen kommen durch Brechung und Reflexion an der Rückseite zustande.
Von oben nach unten lesend sieht man zuerst einen Flankenreflex, also zusammengeflossene Bauch- und Halsreflexe an dem erst ganz wenig eingeschnürten Strahl, dann folgen abwechselnd Bauch- und Halsreflexe, wobei die letzteren nach unten mit enger werdendem Hals rasch sehr klein werden.

Die Glanzstellen der Fangfäden

Bei Betrachtung unter dem Mikroskop kann man bei Beleuchtung von schräg oben, sobald der Faden selbst glänzt, die Tröpfchen kaum mehr sehen. Mit anderen Worten: wenn die Fäden glänzen, ist ihre Helligkeit so groß, dass in erster Näherung das, was dann zu sehen ist, durch den Faden selbst hervorgerufen wird.
Die Bilder 17 und 18 zeigen noch einmal das Netz der Spinne von Bild 1 bis 4, diesmal aber so fotografiert, dass sehr viele Glanzstellen an den Fangfäden zu sehen sind. In Bild 17 sind oberhalb der Bildmitte einige dieser Reflexe überbelichtet und erscheinen daher weiß; auf Bild 18 mit reduzierter Empfindlichkeit sieht man, dass die entsprechenden Reflexe hellblau oder grünlich sind. Die Abfolge der Farben – hellblau, grünlich, gelb, orange, purpurrot, blau, grün – erinnert an die Abfolge der Farben bei Seifenlamellen.

Glanzstellen der Klebefäden 1 Glanzstellen der Klebefäden 2
Bild 17Bild 18

Das ist kein Zufall, sondern ein Hinweis zum Verständnis: denn die Farben von Seifenlamellen sind denen, die bei Beugung am Spalt oder an dünnen Fäden auftreten, sehr ähnlich. Unter den gegebenen Beobachtungsbedingungen scheint das an den Fäden gebeugte Licht den größten Anteil an ihrem Glanz zu haben.

Bild 19: Farben, die bei der Beugung am Spalt oder an einem "schwarzen" Faden auftreten. Die Helligkeit ist so groß gewählt, dass das Bild bis zum 14. Teilstrich auf der daruntergelegten Skala überbelichtet ist, d.h. die errechneten Farben sind heller als auf dem Bildschirm darstellbar. Die Skala gibt den Radius des Fadens bzw. die halbe Spaltbreite (in μm) multipliziert mit dem Ablenkwinkel (in Grad). Die Farben, die vom 17. bis zum 35. Teilstrich zu sehen sind, finden sich in den Reflexen in den Bildern 17 und 18 wieder. Daraus kann man Rückschlüsse auf die Fadendicke ziehen, wenn man die Ablenkung der Sonnenstrahlen an den Glanzstellen ausmisst. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die zusätzlichen Anteile des durch den transparenten Faden gehenden und des an der Oberfläche reflektierten Lichts das Bild – nicht qualitativ, aber quantitativ – etwas verändern.

Große Streuwinkel

Warum sind die Farben hauptsächlich im Gegenlicht und nicht auch unter größeren Beobachtungswinkeln, insbesondere auch mit dem Rücken zur Sonne, zu sehen?
Wenn die Größe der Klebetröpfchen nicht sehr einheitlich ist, dann können unter größeren Streuwinkeln die Farben verschwinden.
Dies soll anhand zweier Skizzen erläutert werden. Der Spinnwebfaden soll senkrecht zur Bildebene verlaufen, zu sehen sind zwei verschieden große Tröpfchen und an ihrer Oberfläche reflektierte Lichtstrahlen. Die Wegunterschiede der beiden Strahlen sind hervorgehoben. In Vorwärtsrichtung sind die Wegunterschiede klein (Bild 20), mit zunehmendem Streuwinkel werden sie immer größer (Bild 21).
Bild 20            Bild 21

Bei Richtungen, die stärker von der Vorwärtsrichtung abweichen, variiert dann die Farbe von Tropfenpaar zu Tropfenpaar so stark, dass der Mittelwert wieder annähernd farblos, "grau" ist, sich insgesamt nur sehr schwache Farbigkeit ergibt. Nur in ganz besonderen Fällen könnten Farben auch in Rückwärtsrichtung zu sehen sein.

Wenn aber die Größen und Abstände der Streuzentren sehr einheitlich sind, dann treten Interferenzfarben auf! Die nächsten zwei Bilder wurden in den Morgenstunden mit dem Rücken zur Sonne aufgenommen:
Bild 22Bild 23

Bis auf die zwei obersten sieht man die in Bild 22 gezeigten Fäden auch in Bild 23, unter einem etwas anderen Winkel und stärker defokussiert. Es sind Farben zu sehen, aber ihre Helligkeit ist gering und daher sind sie unauffällig.
Die Intensität des unter größeren Winkeln gestreuten Lichtes ist so gering, dass sich die Farben vom Hintergrund kaum mehr abheben.

Weitere Effekte?

In der anfangs zitierten Arbeit "Farbenspiel im Spinnennetz" findet sich ein Bild mit Interferenzfarben in Rückwärtsrichtung (Abbildung 3, ein Foto von W. Schneider) und die Anmerkung
"Aufmerksame Beobachter können nämlich unter günstigen Bedingungen ein ähnliches Farbenspiel in Reflexion beobachten (Abbildung 3). Dieses Phänomen ist nicht abschließend geklärt. Es liegt aber nahe, dass hier ein Regenbogeneffekt vorliegt."
Regenbögen an sehr kleinen Tropfen (sogenannte Nebelbögen) oder an Fäden, die so dünn wie Spinnwebfäden sind, sind nicht farbig, sondern weiß. Ursache sind die starken Beugungseffekte, die die Farbaufspaltung durch Dispersion völlig überdecken. Regenbögen sind an Spinnennetzen zu sehen, wenn an diesen Tautropfen hängen, und sind dann leicht als solche zu identifizieren. Regenbogeneffekte scheiden also mit Sicherheit als Erklärung aus.
Das Bild sieht den hier gezeigten auch nicht sehr ähnlich. Es ist ein Spinnennetz zu sehen, bei dem in einigen Sektoren die Fangfäden in der Sonne glänzen, und zwar nicht weiß, sondern zartrosa. Die Umgebung dieser Glanzstellen schimmert grün. Außer dem hellen Rosa und dunklem Grün sind (zumindest auf dem Foto) keine anderen Farben wahrzunehmen. Dies ist doch ganz anders als die vielfarbige Buntheit, die unter kleinen Streuwinkeln zu sehen ist.
Es könnte sein, dass die richtige Erklärung die folgende ist: Das von den Fangfäden und das von den darauf sitzenden Klebetröpfchen reflektierte Licht interferiert derart, dass im direkten Reflex die Intensität im Grünen etwas vermindert wird: die Reflexe erscheinen rosa. Konstruktive Interferenz erfolgt unter einem etwas anderen Winkel, dadurch sieht man an den Stellen neben den Reflexen das in den Reflexen fehlende Grün. Das ist im wesentlichen ein Fall von Zweistrahlinterferenz, bei der für größere Wegunterschiede hauptsächlich Rosa und Grün auftreten, wie man an dünnen Schichten sehen kann.

Regenbogen am Spinnennetz

Der Vollständigkeit halber sei hier auch noch der Regenbogen erwähnt, obwohl das Spinnennetz hier nur der Träger der Tautropfen ist, die ihn hervorrufen.
Regenbogen im Spinnennetz Regenbogen im Spinnennetz
Bild 24 Bild 25
Wenn sich Tau auf bodennahe Spinnennetze legt, sieht man im Sonnenschein auch da Regenbogenreflexe. Das ist gut zu sehen, aber schwer zu fotografieren, weil die einzelnen Reflexe sehr hell, daher auf dem Foto überbelichtet und dann fast weiß sind, so dass sich die kräftigen Farben verlieren (Bild 24). Wenn man aber absichtlich unscharf einstellt, verteilt sich das Licht auf größere Bereiche und der Regenbogen wird auch auf dem Foto sichtbar (Bild 25). Einige der Tautröpfchen weichen stark von der Kugelgestalt ab, daher sind die bunten Reflexe nicht so regelmäßig geordnet wie bei frei schwebenden Tröpfchen.
Eine wunderbare Aufnahme finden Sie hier.

Schluss

Die hier getrennt besprochenen Erscheinungen treten kaum jemals für sich allein auf: an den klebrigen Fäden werden die auch an trockenen zu beobachtenden Interferenzmuster durch die zusätzlich auftretenden Interferenzen nicht völlig überdeckt, oder es werden durch die Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Tröpfchen ähnliche kleinräumige Farbwechsel hervorgerufen. Die Farben der Glanzstellen der Fangfäden können durch Interferenz mit dem an den Tröpfchen gestreuten Licht noch weiter verändert werden, ähnlich wie in Bild 14 und 15 zu sehen. Das durch die etwas rauhe Oberfläche der trockenen Fäden hervorgerufene Pünktchen- oder Streifenmuster überlagert sich mit den "normalerweise" an dünnen Fäden zu erwartenden Beugungsfarben. So kann durch Überlagerung ein Bild von verwirrender Vielfalt entstehen, das Erklärungsversuchen zu trotzen scheint. Nur unter günstigen Beobachtungsverhältnissen überwiegt ein einzelnes Phänomen und ist dann leichter zu deuten.

Noch ein paar Bilder:

Links zu Bildern im Netz

Eine sehenswerte Dia-Schau von Carrie Lee Pierson Schwartz. Ein Spinnennetz unter optimalen Bedingungen, Fotos von Trevor Roberts
Ein wunderschönes kleines Bild von Ágnes Őri auf einer "Optics Picture of the Day" Seite von Atmospheric Optics. Und einige erstaunlich farbenprächtige Aufnahmen von Jackie Sones.


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